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Lori Nelson Spielman
Morgen kommt ein neuer Himmel

 

Fischer TB, 2014

 

Als Brett 14 Jahre alt war, hatte sie noch große Pläne für ihr Leben, festgehalten auf einer Liste mit Lebenszielen. Heute, mit 34 Jahren, ist die Liste vergessen und Brett mit dem zufrieden, was sie hat: einen Freund, einen Job, eine schicke Wohnung.

Doch als ihre Mutter Elizabeth stirbt, taucht die Liste wieder auf: Aus dem Mülleimer gefischt, hat ihre Mutter die Liste aufgehoben, und deren Erfüllung zur Bedingung gemacht, damit Brett ihr Erbe erhält – und zwar innerhalb von 12 Monaten.

Aber Brett ist nicht mehr das Mädchen von damals. Ein Baby bekommen? Das hat sie schon lange ad acta gelegt. Ein Pferd kaufen? In ihrer Wohnung sind nicht mal Haustiere erlaubt. Eine gute Beziehung zu ihrem Vater aufbauen? Ha – der ist seit sieben Jahren tot. Sich verlieben? Die einzig wahre, große Liebe gibt es doch nur im Film.

Um sie bei der Erfüllung ihrer Ziele zu unterstützen, hat ihre Mutter Brett mehrere Briefe hinterlassen. Wütend, enttäuscht und verletzt liest Brett den ersten Brief – und ist überwältigt von der liebevollen und fürsorglichen Nachricht ihrer Mutter, die gespürt hat, dass Brett in ihrem Leben nicht glücklich ist. Die Briefe ihrer Mutter rufen Brett dazu auf, ihre Träume nicht aufzugeben und ihr Leben in die Hand zu nehmen – denn nur sie selbst kann es ändern …

Ein berührender Roman über die eine Liebe, die uns ein Leben lang nicht verlässt.
auch als E-Book erhältlich

auch als Hörbuch erhältlich (gelesen von Anja Stadlober)

 

Leseprobe

 

Der Anwalt zieht einen zweiten Aktenordner aus einer Ledermappe und legt ihn vor mich auf den Tisch. »Für Sie hat Elizabeth sich etwas anderes überlegt.«

Er schlägt den Ordner auf und reicht mir einen vergilbten Zettel. Ich betrachte ihn. Er ist glattgestrichen, man sieht, dass er einmal zerknüllt gewesen sein muss. »Was ist das?«

»Eine Liste mit Lebenszielen«, erwidert er.

»Ihre Liste.«

Es dauert eine Weile, bevor mir klar wird, dass es tatsächlich meine Handschrift ist. Die geschwungene Handschrift einer Vierzehnjährigen. Offenbar hatte ich eine Liste mit Lebenszielen verfasst, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann. Neben einigen Punkten entdecke ich Kommentare meiner Mutter.

 

Meine Lebensziele

1.* Ein Kind bekommen, vielleicht zwei

  1. Nick Nicol küssen
  2. Bei den Cheerleadern aufgenommen werden Glückwunsch!

War das wirklich so wichtig?

  1. Beste Noten bekommen Perfektion wird überschätzt
  2. Skifahren in den Alpen Was hatten wir für einen Spaß!

6.* Einen Hund anschaffen

  1. Die Antwort wissen, wenn Schwester Rose mich

drannimmt, weil ich mit Carrie getuschelt habe

  1. Nach Paris fliegen Ach, diese wunderschönen Erinnerungen!

9.* Für immer die Freundin von Carrie Newsome sein!

  1. An die Northwestern University gehen Ich bin so stolz auf

meine Tochter!

  1. Immer freundlich und höflich sein Weiter so!

12.* Armen Menschen helfen

13.* Ein richtig schönes Haus kaufen

14.* Ein Pferd kaufen

  1. Bei einem Stierrennen mitlaufen Das lässt du schön bleiben!
  2. Französisch lernen Très bien!

17.* Mich in den Richtigen verlieben

18.* Live auftreten, auf einer richtig großen Bühne

19.* Eine gute Beziehung zu meinem Vater haben

20.* Eine tolle Lehrerin werden

 

»Hm«, mache ich und überfliege die Liste. »Nick Nicol küssen. Cheerleader werden …« Lächelnd schiebe ich sie zu Mr Midar zurück. »Niedlich. Wo haben Sie die her?«

»Von Elizabeth. Sie hat sie all die Jahre aufbewahrt.«

Ich lege den Kopf schräg. »Ähm … was? Sie hat mir meine alte Liste mit Lebenszielen hinterlassen? Die bekomme ich?«

Mr Midar lächelt nicht. »So ungefähr.«

»Was soll das?«

Er rückt mit seinem Stuhl näher an mich heran. »Also, es geht um Folgendes: Elizabeth fand diese Liste vor vielen Jahren im Mülleimer bei Ihnen zu Hause. Nach und nach hakte sie Ziele ab, wann immer Sie eins erreicht hatten.« Er weist auf Französisch lernen. »Sehen Sie?«

Meine Mutter hatte die Worte durchgestrichen und Très bien dahinter geschrieben.

»Aber zehn Punkte auf der Liste sind noch offen.«

»Das ist doch albern. Das sind ganz andere Ziele, als ich heute habe.«

Mr Midar schüttelt den Kopf. »Ihre Mutter fand, dass sie auch heute noch gültig sind.«

Ich verziehe das Gesicht, beleidigt, dass sie mich nicht besser kannte. »Tja, da hat sie sich aber geirrt.«

»Sie möchte gerne, dass Sie die Liste vervollständigen.«

Mir fällt die Kinnlade runter. »Das soll ja wohl ein Witz sein!«

Ich halte ihm den Zettel vors Gesicht. »Die habe ich vor zwanzig Jahren geschrieben! Gerne füge ich mich dem Willen meiner Mutter, aber ganz bestimmt nicht bei diesen Lebenszielen!«

Er streckt die Hand aus wie ein Verkehrspolizist. »Hoho, ich bin bloß der Überbringer der Nachricht.«

Ich atme tief durch und nicke. »Tut mir leid.« Ich lasse mich zurück auf den Stuhl fallen und reibe mir die Stirn. »Was hat sie sich nur dabei gedacht?«